Der Rhein zwischen Kleve und Mainz ist seit Jahrhunderten die wichtigste Verkehrsader in Mitteleuropa. Vor allem das Tal des Mittelrheins von Bingen bis Köln, wo Berge dem Strom den direkten Lauf verstellen, bot keine Möglichkeit, auf die Hochfläche auszuweichen. Handel und Verkehr hatten hier den Biegungen des Rheines zu folgen. Der Strom transportierte die Kähne; Uferstraßen ermöglichten dem Menschen schnelles Fortkommen mit Pferd, Esel und Ochsengespann. Die günstige geografische Lage ließ zahlreiche Siedlungen am Strom entstehen, die ihre Existenz dem Handel, ihren Ursprung jedoch meist einer Burg, seltener einer kirchlichen Zelle verdankten.
Territoriale Situation am Rhein
Unübersichtlich war die territoriale Situation am Rhein: Ein Teil der Burgen, Märkte und Städte gehörte – oft als Vorposten ausgebaut – den großen Dynastenfamilien des Reiches. Ein anderer Teil unterstand den geistlichen Territorien, deren Politik meist von gewählten Angehörigen kleiner Dynastien gelenkt wurde. Die Stadt Köln hatte sich jedoch bereits 1274 vom Erzbischof politisch gelöst. Schließlich hielten einzelne Familien ohne größere Flächenherrschaft Burgen in ihrem Besitz. Auch gab es Reichsfesten, doch gerade der Aufstieg einer Schicht mittlerer Dynastenfamilien in der Stauferzeit geschah territorial auf Kosten der kaiserlichen Macht, so daß bald kaum noch Krongut am Rhein existierte.
Die Aufzählung der Herren an Nieder- und Mittelrhein (außer den Kurfürsten von Köln, Mainz und Trier sowie der Pfalz) würde eine lange Reihe ergeben. Erbauseinandersetzungen und Kriege formten die Landkarte. So war im 17. Jahrhundert die territoriale Zersplitterung des Mittelalters bereits etwas bereinigt. Zerstörungen und wirtschaftlicher Ruin im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges und der Besetzung durch ausländische Truppen taten ein übriges. Größere Bündnissysteme, oft auch Reichspolitik, beeinflußten nunmehr die Existenz von Städten und Burgen; europäische Konstellationen machten sich am Rhein bemerkbar. Vor allem der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688-97) mit seinen teils totalen Zerstörungen am Rhein 1689 veränderte die Herrschaftsverhältnisse, die ihrerseits wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten bestimmten. Architektonische Überreste weltlicher Herrschaft sind für uns erstrangige Mittel, Geschichte lebendig werden zu lassen. Freilich müssen dazu eine Burg auf der Höhe, eine Stadtmauer am Strom nicht als schmückendes Beiwerk der Landschaft, sondern in ihrer ehemaligen Funktion verstanden werden.
Burgen am Rhein im 17. Jahrhundert
Die Zerstörungen Ludwigs des XIV. im Jahre 1689 und Verfall und Unvernunft in 2 Jahrhunderten verringerten jenen Bestand architektonischer Zeugnisse und minderten ihren Aussagewert. Um eine authentische Vorstellung von Aussehen und Funktion der Burgen und Städte zu erlangen, müssen wir auf Ansichten aus früheren Jahrhunderten zurückgreifen. Im wesentlichen kommen hierbei den Rhein betreffend Darstellungen des 17. Jahrhunderts in Frage vom Beginn zuverlässiger Schilderung der topographischen Situation bis zu den Zerstörungen 1689.
Wie wichtig und durchschnittlich zuverlässig die Radierungen Wenzel Hollars (1607-77) sind, ist allseits bekannt. Sie gehen auf Reiseskizzen der dreißiger Jahre, größtenteils von 1636 zurück. In diesem Jahr begleitete Hollar den britischen Sonderbotschafter Thomas Howard, Earl of Arundel, als Reisezeichner an den Kaiserhof nach Wien. Zum ersten Male wurde die Rheinlandschaft mit künstlerischen Augen gesehen und gezeichnet. Hollar vermied erzählende und verfälschende Zutaten; trotz aller Sachlichkeit wird das eigentliche Wesen des Mittelrheins festgehalten, der feine leichte Dunst. Hollar hinterließ uns ein Gesamtbild vom Mittelrhein.
Ansicht der Pfalz im Rhein
Als Beispiel sei die weniger bekannte Ansicht der ‘Pfalz im Rhein’ (Pfalzgrafenstein) abgebildet, die sich im Kupferstichkabinett Berlin befindet. Die Zollburg im Strom wurde um 1327 durch Ludwig den bayer errichtet und kurz danach mit einer Wehrmauer umgeben; weiterer Ausbau 1607. Hollar zeichnete die Zollstätte von Süden. Rechts im Hintergrund erscheint Kaub, über der Stadt Burg Gutenfels als noch unzerstörte Anlage, ungewohnt im Vergleich zum heutigen Erscheinungsbild nach den Wiederherstellungen seit 1886. Die Berliner Zeichnung folgt wahrscheinlich Hollars Reiseskizze vom 11. Mai 1636, die heute das Magdalene College in Cambridge bewahrt. Eine weitere Zeichnung Hollars von der Pfalz im Rhein ist im Britischen Museum London.
Quelle: Rheinische Burgen im 17. Jahrhundert von Wolfgang Schulz
Mit freundlicher Unterstützung des Stadtarchivs St. Goarshausen